Studieren, Arbeiten, Überleben im Ausland
Tipp: Druck diesen Artikel und leg ihn zu deinen Reiseunterlagen. Dann hast du Ihn zur Hand, wenn du im Ausland bist. Oder sende ihn an Freunde, die im Ausland studieren oder arbeiten.
Ankommen.
Angekommen! – Was nun?
Die erste Nacht ist komisch: Du liegst im neuem, spärlich dekorierten Zimmer auf einem dürftigen „Bett“, schaust an die Decke und denkst: „Warum tue ich mir das nur an? Zu Hause war doch gerade alles so geil…“. Aber sei dir sicher: Egal wie schön du alles daheim hattest, das läuft nicht davon. Du hast die richtige Entscheidung getroffen, deinen Horizont zu erweitern und jede Menge zu erleben!Der nächste Morgen, ein wenig Kopfschmerzen, dennoch herscht Tatendrang: Was tun? 3 Dinge, sind nun wichtig:Vertrautheit schaffen: Mach dich mit der neuen Umgebung vertraut, geh in der Nachbarschaft spazieren. Wo gibt’s guten Cappuccino? Wo sind Einkaufsmöglichkeiten? Wo ist die nächste Bar zum Vorglühen vor Partys? Schaffe auch Vertrautheit in deinem Zimmer: Kauf ein Riesenposter, um den abgefallenen Putz zu verbergen und Grünzeug, um es etwas wohnlicher zu machen und … Ach, du wirst es selbst am Besten wissen…
Sozialisation: Dein Auslandsaufenthalt steht und fällt mit den Leuten, mit denen du hier deine Zeit verbringst! Gerade in der Anfangszeit sind Kontakte schnell geknüpft. Nutze diese Phase, um so viel Leute wie möglich kennen zu lernen. Viele hängen nur mit den erstbesten Leuten herum, die sie treffen. Suche dir unbedingt einige ausländische Freunde. Du bist nicht hier, um jeden Tag mit Deutschen Kaffee zu trinken!
Formalitäten: Kontaktaufnahme mit deinem Arbeitgeber, Einschreiben an der Uni, evtl. Meldung beim Einwohneramt, etc.
Vorsicht Kulturschock!
Nachdem die erste Unsicherheit verfolgen ist und du nun mit denen neuen Bekanntschaften durch die Gassen ziehst, fühlt sich alles ziemlich geil an: Pflichten, Prüfungen und Sorgen sind weit weg – du bist im Urlaub und lebst danach! Herrlich. Doch nach ein paar Wochen merkst du: das ist gar kein Urlaub, du lebst jetzt hier – wenn auch für kurze Zeit! Der Alltag holt dich ein, wenn du Besorgungen machen musst und dir wichtige Informationen fehlen: Wie sollst du ohne gescheites Nahverkehrsystem in den USA in die Stadt kommen? Wie zum Teufel sollst du dich in China vegetarisch ernähren? Und was zum Teufel heißt „Klopapier“ auf Spanisch?
Zu den Alltagsproblemchen mischt sich vielleicht ein wenig Heimweh (was ganz normal ist). Dann hast du eine Nacht schlecht geschlafen, kommst an die Uni um musst ewig einen Raum suchen. Solche Kleinigkeiten oder ein missglückter Kommunikationsversuch können es dann auslösen: das klägliche Gefühl der Einsamkeit, des Nicht-verstanden-werdens, der Andersartigkeit. Plötzlich rollt dir eine Träne über die Wange und du willst nur noch nach Haus. Nun zweifelst du an dir selbst: „Vielleicht war das alles doch keine so gute Idee?! Ich hätte doch nach Italien, nicht nach Korea gehen sollen?!“
Solche Gefühle dauern oft nur ein Moment oder sind nur eine Phase. Oft fängt man sich wieder. Doch wenn er richtig zuschlägt, ist mit dem Kulturschock nicht zu spaßen: Ich habe schon Leute abreisen sehen, weil es nicht mehr ging! Aber ich will dir keine Angst machen – eine gewisses Maß an Frust und Gefühlsschwankungen gehören zu jeden Auslandseinsatz dazu und sind Teil der Lernerfahrung. Das muss dir einfach bewusst sein. Deswegen habe ich hier ein paar Vorschläge, den Kulturschock ein wenig sanfter zu gestalten:
Prävention:
Sprache: Nichts zu verstehen und sich nicht verständigen zu können kann lustig sein, schwappt aber schnell in Frust über, gerade in Sprachen, die wir noch gar nicht verstehen. Lerne deswegen jeden Tag eine neue Vokabel und einen neuen alltagstauglichen Satz! Diese 10 Minuten sind bestens investiert!
Erlebnisse: Du bist nicht hier, um nur in der Bib herumzuhängen! Raus mit dir – egal ob Bar, Kultur oder Wochenendausflug: Halte die Entdeckungsfreude aufrecht!
Einstellung: Werte nicht, wenn du eine Begegnung mit der anderen Kultur machst. Leute sind hier anders. Nicht klüger, nicht dümmer. Dinge sind anders. Nicht besser, nicht schlechter. Beobachte dies, werte nicht.
Freunde: Diese ist schon gesagt: „Hast du Freunde, hast du keine Sorgen!“.
Information: Lies viel über dein Gastland – nicht nur den Reisführer sondern auch Hintergrundinformationen über Land und Leute (z.B. ein Magazin von GEO-Spezial). Das hilft dir, deine Erlebnisse zu interpretieren (das ist etwas anderes als werten).
Allgemeine Informationen: Lies auch etwas über den Kulturschock selbst (wisse was da kommen mag…) und über Kulturtheorie im Allgemeinen. Somit kannst du deine Erfahrungen als persönliche Praxisbeispiele heranziehen. Während meinem ersten Auslandsstudium habe ich einen Kurs zu „interkultureller Kommunikation belegt – sehr fruchtbar!
Buchtipp: Lokales Denken, globales Handeln. Interkulturelle Zusammenarbeit von Hofstede
Was ist deine Mission? Gib dir konkrete Ziele (schriftlich) für deinen „Einsatz“: Was willst du fachlich, sprachlich und persönlich lernen? Welche Arten von Freundschaften willst du knüpfen und welche Dinge möchtest du erleben? Diese Mission ist wichtig für die Momente, in denen sich alles „sinnlos“ anfühlt.
Notfall-Plan:
Geschützter Raum: Ist er da, der Kulturschock, hilft ein geschützter Raum – dein Zimmer, in dem „er“ nicht rein darf. Mache es dir zu Haus so gemütlich wie möglich, mit Bildern von Freunden und halte viel Kontakt zu Eltern und Freunden. Sprich offen. Skype und der Lifestream von „einslive“ oder Radio „Fritz“ sind nun wichtige Verbindungen zur vertrauten Welt.
Reflexion: Führe ein Tagebuch und male ein Stimmungsbarometer. Das hilft nicht nur jetzt, sondern sind später wertvolle Erinnerungen.
Nicht einigeln: Erinnere dich: Warum bist du hier? Was ist deine Mission? Du willst doch was sehen für dein Geld, etwas herausholen aus der guten Uni! Die begrenzte Zeit mit den Leuten hier genießen! Es gibt viele Gründe um weiter zu machen. Es kommen bessere Tage – mit Sicherheit.
Nimm´s nicht so: Klar gibt es echt frustrierende Dinge, machen wir uns nichts vor: Wer einmal versucht hat, in China eine Karte zu lesen, Französisch richtig auszusprechen oder in den USA gutes Essen zu bekommen, der weiß, was gemeint ist! Dennoch: C´est la vie – ici! Du kannst es nicht ändern, sondern nur so nehmen wie es ist. Dafür hast du später jede Menge zu berichten. Wäre ja sonst auch langweilig, oder?
Wieder zurück!
Erwarte auch nicht, dass du deine Leute damit beglückst, dass du ihnen jedes Detail und jedes Foto deines Aufenthaltes näher bringst. Sicher wollen deine Freunde und Eltern hören, was du erlebt hast, doch nach einem Abend ist das Interesse meist wieder vorbei – du kennst das ja selbst, wenn du selbst Bilder ansehen oder ellenlange Reiseberichte lesen „musst“. Beschränke dich lieber auf das Wesentliche: Zeige nur deine schönsten Bilder und erzähl ein paar Storys. Dann packst du dein Fotoalbum zusammen, verkriechst dich auf dein Zimmer, haust die Flamenco-Musik rein und genießt ganz für in Gedanken und für dich allein die enorme persönliche Bereicherung die du gemacht hast. – Und freust dich schon auf das nächste Abenteuer…
Kategorie: Sprachen lernen | Artikel von Dr. Martin Krengel | am 06.12.2012